Grüßt Gott Und Seid Gegrüßt!

… Gedanken um ein Dhuna —
Einsiedelei mit heiliger Feuerstelle —
in den Alpen …

Nach einem Jahrzehnt der Wanderschaft in den Sonnenaufgang und anschließenden 12 Jahren Meditation in einer Höhle im Himalaya hat mich – eine in Deutschland geborene asketische Nonne eines indischen Shivaiten-Ordens – mein Weg im Sommer 2002 wieder einmal nach Europa geführt. Und seither pilgere ich hier umher.

Während der Zeit in der Höhle, wo ich mit einem meiner Meister und einigen Ordens-Brüdern wohnte, war es u. a. meine Aufgabe, das Dhuna – das heilige Feuer – zu hüten und permanent am brennen zu halten. Abgesehen von wandernden Sadhus – asketischen Mönchen, oder Sadvhis, Nonnen – kamen auch ab und zu Pilger, Spaziergänger und Dorfbewohner vorbei. Und alle diese Menschen, so unterschiedlich sie auch sein mochten, ob sie nun zu Besuch kamen, oder sich durch Zufall dorthin verirrten, fanden etwas bei diesem heiligen Feuer: sie wurden von ihm berührt ohne es anzufassen.

Natürlich ist so eine Höhle ein beeindruckender und kraftvoller Ort, doch ohne das heilige Feuer ist sie kalt, dunkel und unheimlich. Das Feuer des Dhuna, als lebendige Manifestation des Göttlichen verehrt, von Sadhus gepflegt und gehütet, gibt nicht nur Licht und Wärme, sondern auch die Möglichkeit eines Perspektivwechsels. Der Fokus ist auf das Göttliche als Essenz des Seins gerichtet. Anstatt in der Beziehung zwischen dem „Ich“ und der „Welt“ verloren zu gehen.

... Als ich im Sommer 2002 wegen der Verlängerung meiner Papiere nach Dehli fuhr und bei meiner Ankunft in Alt-Dehli einen Tempel betrat, saß dort ein Sadhu und sagte mir, ich würde auf eine lange Reise gehen und meinen Geburtsort in Europa wieder sehen. Dann solle ich in die Berge, die Alpen, gehen und dort würde ich ein Dhuna entzünden. Auch solle ich mich nicht sorgen, wenn es länger dauern würde, bis ich wieder nach Indien käme. Gurus Segen sei mit mir. Und die Reise würde schneller beginnen als ich mir vorstellen könne. – Nun ja, ich bekam ein Ticket geschenkt und 24 Stunden später saß ich im Flugzeug ...

Sadhus setzen sich gern an einen stillen Ort zur Meditation und entzünden ein Dhuna, an dem sie beten, wohnen und ihre jeweiligen Arten von Yoga praktizieren. Nun ist die Einsiedelei eines Sadhus – sei es eine Höhle, ein Gemäuer oder eine Hütte – kein Privatraum im europäischen Sinn, sondern ein Tempel des Göttlichen, in dem das heilige Feuer immerfort brennt und welcher als geweihter Ort jeden Wesen in respektvoller Weise zugänglich ist.

Solche Einsiedeleien sind in vielen Kulturen Tradition. Die Eremiten, Sadhus oder Mönche, leben zwar außerhalb der weltlichen Gesellschaft, doch gerade (auch) dieses Unbeteiligtsein am weltlichen Geschehen schafft einen Raum, der den Menschen etwas geben kann, was sie in ihrem Alltag nicht finden – sei es etwas Abstand vom Stress des täglichen Lebens, ein weiser Rat des Eremiten oder auch einfach die Erfahrung der Stille am Feuer ...

Nicht nur im Himalaya und in fernen Kulturen gibt es solche Traditionen, sondern auch in Europa war es bis vor einiger Zeit durchaus üblich, dass Nonnen und Mönche auf Pilgerreisen umher wanderten oder in Einsiedeleien ein asketisches und meditatives Leben führten. Dies wurde von der Bevölkerung auch respektiert und geschätzt.

Zwar ist die moderne westliche Gesellschaft hauptsächlich auf materiellen Fortschritt und Wohlstand, sowie die Sicherung des selben ausgerichtet, doch gerade hier sehnen sich Menschen auch immer stärker nach geistiger und spiritueller Nahrung. Auf meiner Wanderschaft durch Europa in diesen letzten fünf Jahren ist mir immer wieder großes Interesse seitens der Bevölkerung begegnet. Vor allem in den Alpen werden die Menschen an ihre eigenen Tradition von Einsiedlern und Wandermönchen erinnert und nehmen Bezug darauf. Traditionell wussten die Leute es zu schätzen, wenn da auf dem Berg ein Eremit am Feuer saß, zu dem man hingehen konnte, wenn man nicht mehr weiter wusste und es erschien einem das Leben in einem anderem Licht.

Auch jetzt haben mir auf dem Weg eine Vielfalt von Menschen zu verstehen gegeben, dass sie einen Eremiten und ein heiliges Feuer als eine Bereicherung in ihrem Laben ansehen würden.

Auf meinen Pilgerwanderungen durch die Alpen habe ich viele wundervolle Orte gesehen. Doch eine geeignete Stelle für ein Dhuna – also ein fortwährend brennendes heiliges Feuer – muss einige Voraussetzungen erfüllen: Da ist zuerst einmal das Praktische – es braucht Holz, also einen Wald mit genügend „Klaubholz“ nahe bei. Es muss genügend Wasser vorhanden sein, zum Trinken, Kochen, Waschen, Baden usw., am besten eine ergiebige Quelle oder ein klarer Bach. Aus praktischen Gründen sollte es weder zu nah noch zu fern ab von menschlichen Siedlungen gelegen sein. Und es muss vor Schnee und Regen geschützt sein, da es ja keine vorüber gehende Einrichtung ist, sondern Tag und Nacht und zu allen Jahreszeiten am Brennen gehalten wird. Es braucht also ein Gemäuer, welches sich als Einsiedelei mit heiligem Feuer im offenen Kamin eignet.

Dann arbeitet ein Sadhu – ein Asket - nicht für Geld und betreibt auch keine Geschäfte, sondern lebt von dem, was ihm zufällt. Des Sadhus Aufgabe ist es, in Gott zu meditieren, das Feuer zu hüten und zu pflegen, und den Menschen mit Rat, Tat und Segen zur Seite zu stehen, nicht jedoch zu missionieren. Ein Sadhu verdient nicht, sondern dient, dem Göttlichen in allem und jeder Zeit.

Als Sadhu werde ich also weder ein Land und Gemäuer kaufen noch mieten, sondern müsste etwas Geeignetes zur Verfügung gestellt bekommen. – Das heißt also, dass jegliche Art der Förderung und Unterstützung, die zur Einrichtung eines Dhuna in den Alpen beiträgt, sehr willkommen ist.

AUM NAMO NARAYAN — Das Göttliche im Wesensinnern sei gegrüßt vom Göttlichen im Wesensinnern!

Yamuna Giri,
im September 2007